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Die Sehnsucht nach dem Besseren

Kann die politische Entwicklung in analytischer Mission unabhängig vom individuellen Entwicklungsstreben bewertet werden? Sind hier Zusammenhänge zwischen eruierbaren individuellen Motiven und bestimmten Phasen des politischen Prozesses im Sinne der Massenpsychologie nachvollziehbar?

Die politische Entwicklung einer offenen Gesellschaft kann vor allem in demokratisch entwickelten Gesellschaften in einer engen dynamischen Beziehung zu den höchstpersönlichen individuellen Verwirklichungsmotiven der einzelnen Mitglieder dieser Gesellschaft stattfinden.

Nicht nur Türken, die in Deutschland leben, haben die Wahrnehmung einer zweiten Klasse von Menschen anzugehören. Für die Entwicklung solcher Wahrnehmung existieren verschiedene Gründe. Menschen aus ärmeren Ländern zogen mit der Hoffnung nach Arbeit und finanziellem Wohlstand in technisch und kulturell hochentwickelte Regionen.

Die meisten von ihnen hatten die Vorstellung, nach einem schnellen finanziellen Vorsprung, schnell wieder in die Heimat zurückzugehen. Die meisten Menschen sind bodenständig und verinnerlichen ihre Geschichte und ihre Kindheitserlebnisse. Diese Erinnerungen an das selbstgebackene Brot der Mutter, die volkstümliche Musik oder die erlebte gesellschaftliche Verbundenheit, sind nicht so einfach vom „Ich-selbst“ zu trennen. In der Regel bleiben diese ein lebenslang haften und werden dem Bedürfnis folgend immer wieder lebendig. Schon eine etwas ernsthaftere Erkrankung weckt die Sehnsucht nach der beschützenden Mutter, in einer Lebenskrise sehnt man sich nach der Heimat. Diese Heimat, die wir als Kinder als eine Schutzzone erleben durften, bleibt für uns in unserer Vorstellung immer noch die“ heile Welt“. Sie existiert für uns in unveränderter Form weiter. Die Hoffnung zu diesem „sicheren Hafen“ zurückzukehren, bleibt zumindest latent ,ein Leben lang in uns und gehört zum Teil zu unserem Lebenssinn.

Es ist wohl eine Existenzfrage die Erinnerung an die eigene Geschichte in all ihren Facetten zu behalten und immer wieder neu zu aktivieren. Diese Verbundenheit mit unseren Wurzeln ist sogar unsere Pflicht als die empathische und Kommunikative Verbundenheit.

Viele plagen meist unberechtigte Schuldgefühle, ihren engsten Angehörigen den Rücken zugedreht zu haben, um eigenen Interessen den Vorzug zu gegeben.

Beide Erlebnisse von der „alten guten Heimat“ in Verbindung mit einem Leben in Schuldgefühlen gegenüber den anderen, sind nicht selten mit depressiven Episoden assoziiert. Die Traurigkeit vom Heimweh und die Wut die reale Lebenssituation nicht verändern zu können oder zu wollen, werden als Kränkung erlebt. Diese Kränkung in Form einer Depression ist als „Entwurzelungssyndrom“ zu beschreiben.

Um die Selbstschuld  zu neutralisieren und die gedankliche Verbindung zur „alten Heimat“ aufrechtzuerhalten zu können, wird balancetheoretisch die Einstellung zum „neuen Lebensland“,  in negative Relation verändert. Nicht die Situation in der alten Heimat und nicht die eigene Person, die situationsgerecht gehandelt hat, werden durch die Wahl der neuen Existenzform als Ursache der Völkerwanderung gesehen, sondern das „neue Land“ wird in ihrer bloßen Existenz  als die Ursache,  der veränderten Standortbestimmung wahrgenommen.

Die Einwanderer, aus den ärmeren Ländern, gehören dort in der Regel zu den Ärmsten. Sie waren vom Stand ihrer Bildung und ihrer gesellschaftlich vorgeschriebenen Rolle bereits benachteiligt. Sie hatten zwar den etablierten sozialen Rahmen, mit seinen vernetzten und verwurzelten Gegebenheiten, stellten sich aber ein noch besseres Leben vor. Damit ist nicht das Leben selbst gemeint, sondern die Qualitätsvorstellung ihres Lebens. Sie entschieden sich für die Auswanderung und haben diese vollzogen.

Die Schwierigkeiten der Integration in der „neuen Heimat“ sind eigen- und fremdgemacht. Die Anpassungsfähigkeit wird von allen Beteiligten für eine gelungene Integration zur Notwendigkeit. Inwieweit bin ich bereit etwas Neues zu zulassen? Und inwieweit kann mir zumuten etwas los zulassen?

Die Assimilation eines kulturellen Fortschritts, ist für jeden ein lukratives Geschäft und  der Mühe wert. Dies hat mit unserem eigenen Entwicklungspotential, als die in uns angeborenen Selbstverwirklichungs- und Selbstentwicklungsmotiven und mit dem in uns integrierten actus als die eigene Entwicklungsenergie mit Antrieben, zu tun. Der Philosoph Hegel befasste sich in seiner „Geschichte der Philosophie“ ausführlich mit der Begrifflichkeit der Entwicklung.

Schwerer ist dagegen, eine Stufe von der kulturellen Leiter, abzusteigen. Die Klugheitsnormen verlangen von uns das Beste  d.h., das Gute für uns. Und da ich nach dem Guten strebe, wird es mir schwerfallen den Rückstand anzunehmen. Die Schwierigkeit der Rückwärtsdrehung ist plausibel. Einfacher ist es für uns, dem anderen die Chance für eine eigene Entwicklung zu gewähren. Toleranz ist hier der richtige Begriff. Toleranz ist die „echte“ Annahme des anderen mit allen seinen Einstellungen und Lebensplanungen. Denn hiernach passe ich mich den Menschen an und nicht unbedingt seiner Einstellung. Ich habe den vollen Respekt zudem was er denkt und fühlt, biete ich ihm gleichzeitig behutsam und nicht belehrend die Chance,seine eigene Wahrheit zu überprüfen. Jeder ist in der Lage sein Wissen zu bereichern. Jeder hat die Chance seinen Irrtum zu korrigieren. Konstruktivistisch gesehen ist die Wahrheit zwiespältig. Ich betrachte etwas als meine Wahrheit und stelle fest, dass die anderen eine andere Wahrheit konstruiert haben.

In Demokratien wird die Toleranz ethisch fixiert. Moralisch gesehen wird es jedem von uns selber überlassen, wie wir es praktizieren. Kant`s kategorischer Imperativ ist hier als Steuerungsmechanismus unerlässlich. Ich toleriere den anderen, weil ich das Gleiche von ihm als Maxime für das allgemeine Handeln erwarte. Menschen sind in ihrem Handeln zu oft emotional gesteuert. Sie neigen dazu sich allgemeinen Gefühlen anzupassen. Zu zu lieben und zu hassen. Auch wenn die Demokratie sich schützend vor uns stellt, bleibt dem Einzelnen die eigene eventuell negative Einstellung vorbehalten, so dass „Neulinge“ eine gefühlte Intoleranz erleben. Dadurch bleibt das Gefühl von Fremdheit bestimmend. Das Erleben einer Fremdheit wirkt sich in seiner Negativität selbstwertschädigend, mit dem unerwünschten Gefühl ein Mensch zweiter Klasse zu sein, aus. Der Selbstwert strebt entwicklungstheoretisch nach Ausgleich und sogar nach Steigerung.

Dass ich weniger gebildet bin, sozial eine schwächere Position habe, nicht so gut angesehen bin wie ich mir das wünsche, fühle ich mich in meinem Selbstwert geschädigt. Wie steigere ich meinen Selbstwert? Was kann ich tun, um meinen sozialen Rang anzupassen? Wie kann ich mir die ersehnte gesellschaftliche Anerkennung ergattern?

Der erste Weg – ist der lange Bildungsweg- welcher in Demokratien jedem ohne Repressalien oder Ausgrenzungen zusteht. In der Natur der Sache braucht dies aber Zeit, um das Bildungsniveau an das Allgemeine anzugleichen. Das ist eine Generationsfrage. Diese Möglichkeiten werden u.a. in Deutschland für alle Bürger ungeachtet ihrer Herkunft, Religion und Farbe gefördert und sogar gefordert. Menschen werden unterstützt, um diesen Bildungsweg zu beschreiten.

Menschen, die den Sprung nicht schaffen, versuchen ihren Selbstwert in der Höhe zu erhalten. Sie schieben die Schuld ungeachtet der Wahrheit,  auf die mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz. Es wird keinesfalls absolut widerlegt, dass vereinzelt die Toleranzbereitschaft angezweifelt wird. Diese ist aber nicht immer die Ursache für eine eingeschränkte Zielerreichung. Nicht die Diskriminierung ist die (ausschließliche) Ursache, dass ich den Chefposten nicht bekommen konnte. Führungspositionen sind nicht nur an fachliche Qualitäten, sondern auch an entwicklungsbedingte und spezifische Führungsfähigkeiten gekoppelt.

Die Schuldzuweisung an äußeren Bedingungen ist im Sinne der Erfolgsorientierung affirmativ, selbstwertfördernd und erfolgversprechend. Erfolgsorientierte Menschen suchen bei Misserfolg die Ursache außerhalb des Selbst, so dass sie energischer an weitere Aufgaben herangehen können. Im Falle der Integrationsangelegenheit ist diese aber negativ behaftet. Sie dient nicht dem gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern eher der Konstruktion von Verschwörungstheorien. Diese sind salonfähig und gut reproduzierbar mit Verstärkung von Anfeindungen und intolerantem Verhalten.

Für selbstsüchtige Autokraten und Strukturen der Despotie kommen solche Verschwörungstheorien gelegen. Sie bauen darauf. Sie bieten den Menschen durch den Aufbau von Alternativfakten und der Verbreitung von wahrheitsnahen Falschmeldungen, eine Scheinalternative. Sie beschuldigen zu Unrecht, nur um die eigene Position zu stärken. Es geht nur um eigene Interessen. Es geht für Sie nicht um Fakten, sondern primär um absichtlich haltlos in die Welt gestreute Alternativfakten. Sie forcieren diese Anfeindungstendenzen mit Absicht,  Menschen um sich zu scharren. Sie bauen identifikationstheoretisch (Theorie der sozialen Identifikation) auf die bereits vernetzten und individuell eingeleiteten Verschwörungsannahmen. Sie bauen auf den Gruppenzusammenhalt mit der Anfeindung  der anders Denkenden.

Schnell finden sich manche Menschen mit dieser Ideologie identifiziert, insbesondere, wenn diese Autokraten trotz ihrer Schwäche, Stärke demonstrieren. Sie manipulieren Fakten und stellen sich selbst unverhältnismäßig größer dar, als ihnen ihre situative Rolle zuschreibt. Sie zeigen Größe, um ihre Schwäche zu vertuschen.

Es dauert nicht mehr lange und sie werden zunehmend ängstlicher und misstrauischer. Ihre Verschwörungsgedanken bekommen keinen Halt und verbreiten sich immer weiter, sogar auf die eigenen engsten Verbündeten. Sie werden von ihren Lügen gefangen; sie werden immer misstrauischer- bis an die Grenze der Paranoia.

Was dagegen helfen kann, ist erstens den Toleranzgedanken zu verinnerlichen, sich der gesellschaftlichen Entwicklung anzupassen, eine bedingungslose Menschenliebe mit Achtung, Wertschätzung und Akzeptanz zu entwickeln. Das ist ein Imperativ.

Zweitens ist der unabdingbare Weg des Denkens. Das Denken,  anders als die Meinung,  ist empirischer. Die Anschauung und die Meinungsbildung sind wichtige menschliche Potentiale.  Diese sind oft von Empfindungen und Emotionen abgeleitet und können  in die Irre führen. Das Studium der Dinge,  ist der Garant, dass ich mich mit meinen Kenntnissen der ersehnten Wahrheit annähere.

Die Gruppe kann sich irren aber auch ich kann mich irren.

Wie kann ich mich der Wahrheit annähern? Nur über das Denken –  und – über das was ich denke!

 

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