Ist die transkranielle Gleichstromstimulation eine moderne Form des Dopings?
Bei der transkraniellen Gleichstromstimulation (tDCS, transcranial direct current stimulation) werden elektrische Impulse durch den Schädelknochen (transcranial) zum Gehirn geleitet. Die Impulse erhöhen die elektrische Ladung der Zellwände zwischen den Nervenzellem (das Membranpotential), wodurch die Aktivierung der Nervenzellen (Depolarisierung) möglich ist. Resultat ist eine schnellere Verknüpfung zwischen einzelnen Nervenzellen, was einen beschleunigten Lernprozess widerspiegelt.
Dieses Verfahren wurde bisher in mehreren Bereichen der Medizin eingesetzt und soll nun auch zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit beim Lernen angewandt werden.
Bei diesem System reichen bereits ca. 2 Milliamper und eine Neun-Volt-Batterie aus, um die Lernfähigkeit zu verdoppeln.
Neuroplastizität
Alt sowie Jung bauen ständig neue neuronale Verbindungen, also Verbindungen zwischen Nervenzellen, auf und erhöhen so die Lern- und Erinnerungskapazität. Dies bedeutet unser Gehirn, speziell unsere Neuronen (Nervenzellen) sind modellierbar – plastisch. Daher der Name: Neuroplastizität.
Der Lernporzess
Jedes mal, wenn wir etwas Lernen stellt das Gehirn neue Verknüpfungen der Nervenzellen her. Dieser Pfad wird von mal zu mal verfeinert und stabilisiert.
Speziell beim Sport muss der Kontakt zu den Muskelgruppen ausgebildet werden, um die Koordination sowie die Aktivierung der Muskelfasern zu optimieren. So sind Sportler in der Lage mehrere Muskelfasern zu kontraktieren, um Bewegungen optimiert auszuführen.
Hier sind wir beim Sprichwort Übung macht den Meister!
Die Wirksamkeit von transkranieller Gleichstromstimulation (tDCS)
Laut der deutschen Gesellschaft für klinische Neurophysiologie und funktionelle Bildgebung (dGkN) handelt es sich um eine risikofreie Therapie. Patientenberichten zu Folge traten Müdigkeit, seltener auch Kopfschmerzen und Übelkeit auf.
Der Neurowissenschaftler Vincent Clark führte in Albuquerque einen Versuch durch, bei dem Testpersonen das Trainings Militärsimulationsspiel DARWARS Ambush durchführten. Bei dieser Simulation geht es darum im Voraus Gefahren erkennen, bevor es zu Schüssen oder Explosionen kommt. Gefördert wurde das Projekt von der amerikanischen Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) zur Untersuchung der Effizienten zur Ausblidung von Soldaten.
Die Probanden, die mittels tDCS 2 Milliamper ausgesetzt waren, zeigten einen deutlichen Lernfortschritt. Die Vergleichsgruppe führte den gleichen Test mit nur 0.1 Milliamper durch mit resultierender halb so starken Lernleistung.
Der Gebrauch im Alltag – Langzeitfolgen
Die Neuroethikerin Martha Farah von der University of Pennsylvania in Philadelphia sagt, die Anwendung von tDCS ist auch im Alltag anwendbar und zudem konnte die Wirkung auch bis zu ca. einer Stunde nach der Behandlung nachgewiesen werden.
2009 konnte der Wissenschaftler Leonardo Cohen von dem National Institute of Neurological Disorders and Stroke in Bethesda das einfachere Erlernen von Koordinationsübungen mit einer tDCS nachweisen, wobei der Effekt bis zu 3 Monate nach Abschluss des Experiments nachweisbar war. Beeinflusst wurden durch die Neurostimulation das Arbeitsgedächtnis, die Wortassoziationsfähigkeit, die Fähigkeit, komplexe Probleme zu lösen sowie die Stimmunglage (durch Stimulation des präfrontalen Kortex).
Verantwortlich für den langanhaltenden Effekt ist die gesteigerte Produktion von Membrankanälen (NMDA Rezeptoren) in den Synapsen (Verbindungen zwischen den Nervenzellen), welche die Plastizität erhöht.
Therapieerfolg korreliert mit Körperlich-seelischen Verfassung des Nutzers.
Die Tageszeit im Zusammenhang mit der geistigen und körperlichen Erschöpfung, Stress und Gesundheit entscheiden mitunter darüber, ob die Gehirnstimulation sich positiv oder negativ auf unsere Leistung auswirken.
Es gilt also weiterer Forschung über Zeitpunkt und beeinflussenden Nebenfaktoren bei der Behandlung mit tDTCs.
Auch wenn der transcraniellen Gehirnstimulation bereits solch ein Erfolg nachgewiesen wurde, stellt sich letzendlich doch noch die Frage nach der Ethik. Ist es ethisch vertretbar ein gesundes Gehirn zwecks Leistungssteigerung zu manipulieren?
Fazit: Eine äußerst spannende Methode des „modernen Dopings“, die allerdings noch auf korrekte Anwendung und gesundheitliche Langzeitfolgen hin genaustens untersucht werden muss.
Wird im Rahmen der Risiko-Nutzen-Analyse das Überwiegen des Nutzens herauskristallisiert, kann die tDCS eine weltverändernde Revolution bedeuten.
Author: Adieb Hazzan
Quellen:
Trankraniale Gleischstoromtherapie in der Psychatrie (NCBI)
Transkraniale Gleichstromtherapie im Sport (NCBI)
http://www.spektrum.de/news/besser-denken-unter-strom/1070550