Wie lassen sich Menschen für andere begeistern, so dass sie auch einen autoritären Führungsstil akzeptieren würden? Warum unterdrücken Menschen das Denken über riskante Wahlmöglichkeiten? Wie profitieren Diktaturen und totalitäre Denk- und Handlungsregime davon?
Der Gedanke an eine gute Zukunft beflügelt uns Menschen so sehr, so dass wir den evolutionären Charakter der Zuversicht, mit Begierde annehmen. Der Glaube an gelingende Ideen und an realisierbare Vorsätze, um Probleme leichter überwinden oder vermeiden zu können, ist ein strategisch wichtiges Anliegen unserer Kognition. Gerade dann, wenn Schwierigkeiten und Krisen auftreten, haben die Zuversichtlichen mehr Macht auf ihrer Seite und einen besonderen Lebensmut, der sie stärker macht als andere.
Der Blick durch die rosarote Brille, um alles in einem positiven Licht zu sehen, ist ein phänomenales Verhalten das viele kennen. Etwas positiver zu sehen, bedeutet gleichzeitig sich selbst attraktiver, erfolgreicher und gesünder zu erleben. Rosabrillenträger sehen sich selbst erfolgreicher und ihre Zukunft rosiger. Ines Possemeyer ist der Meinung, dass der Über-optimistische rosafarbene Blick nicht nur die Wirklichkeit „schön“, sondern auch diese konstruktivistisch „tatsächlich“ verändert. Diese zuversichtliche Denkweise ist bei einem Teil der Menschen als Persönlichkeitseigenschaft stark präsent und angeboren. Andere erwerben sie im Laufe der individuellen Entwicklung. Einige tragen diese Einstellung ständig mit, andere dagegen selten.
Diese Kraft des Optimismusses wird seit Menschengedenken als Triebkraft des Lebens beschworen; denn ohne Zuversicht kann es keine Motivation zum morgendlichem Aufstehen geben, keine Aufbruchsstimmung existieren, kein Aufschwung erzeugt und kein freudvolles Jenseits entwickelt werden.
Wie alles im Systemtheoretischen Denken interpretierbar ist und dem Spinoza-Effekt folgend, hat einen Einfluss auf die verschiedensten Geschehnisse und Prozesse. Somit kann in einer positiven und über-optimistischen Betrachtungsweise und bei erfolgsorientierten Lebenseinstellungen ein auch negativ wirkendes übermotiviertes Denken lauern. Dieses übermotivierte Denken kann nicht nur produktiv-kreative Resultate erzielen, sondern auch Nebenwirkungen.
In einer Welt voller Gefahren, Umstrukturierungen und Krisen wird die Realität semi-gewollt verschleiert. Menschen reagieren vernünftiger auf unmittelbar drohende Gefahren. Das Rauchen wird trotz Auflagen der Gesundheitsministerien bei Jugendlichen trotz der Gefahrerkennung nicht aufgegeben. Diese stellen sich den Raucher-Lungenkrebs bei anderen und nicht bei sich selbst vor. Das Risiko von Übergewicht wird oft ausgeblendet, weil die Folgeschäden in der Ferne liegen und das Wohlbefinden nicht unmittelbar bedroht ist.
In dieser Welt sind Autoritäten, die uns eine rosige Zukunft versprechen, oft willkommen. Sie propagieren den Zusammenhalt durch die Vermittlung einer Gruppenidentität, die Stärke und Macht suggeriert. Die Gruppenidentität wird dann als nationalistisch, religiös oder in Klassenbezogenheit verstanden. Sie bauen ausgerechnet auf diese Zuversicht und diesen Optimismus. Den Menschen werden Wohlstand, Grenzsicherheit, ein friedvolles Leben, Leichtigkeit und eine freudvolle Zukunft vermittelt. So werden viele Menschen auch sublim beeinflusst. Andere, die in ihrer Grundeinstellung eher wenig positiv denken und mehr pessimistisch strukturiert sind folgen dem Mainstream schweigsam oder sogar aktiv. Einige davon ergreifen lieber die Flucht, da sie bei wenig Selbstvertrauen an ihre Selbstwirksamkeit und nicht an ihre Erfolgschancen glauben können. Sie geben bei und ziehen sich aus der gesellschaftlichen Auseinandersetzung zurück. Sie meinen dann, dass Politik nicht für Menschen tauglich sei, dass man sich aus der Politik raushalten muss. Sie sind der Meinung, dass sie sowieso nichts verändern können. Darauf baut die Despotie auf. Sie begeistert die Übermotivierten und gibt keinem Misserfolgsorientierten die Chance, sich beweisen zu können.
Gesellschaftlich bleibt es sinnvoll den Menschen als Individuum zu sehen. Ihm Wertschätzung zu zeigen und ihm Anerkennung für Leistungen zu geben, damit das Selbstvertrauen an die eigene Fähigkeit gestärkt und das eigene Können mit der eigenen Selbstwirksamkeit belebt werden kann. So können Menschen ihre Meinungen standhaft vertreten und für positive Veränderungen stehen. Eine wichtige Aufgabe ist, bei vor allem jungen Menschen, die Fähigkeit zur Kreativität zu fördern, sie zu befähigen die Gefährlichkeit einer „blinden“ Zuversicht zu verstehen und so empathisch genug, frei vom Nationalismus, weltoffen zu sein.
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