Spätestens jetzt nach den letzten Wahlen in Deutschland und im Anbetracht der vorausgegangenen Wahlverhaltensweise und Wahlergebnisse der anderen europäischen Ländern mit machtvoller Präsenz und einer Zunahme von rechtskonservativen Denkmustern und nationalistischen Ideologien, sollten sich eingebürgerte Menschen aus einem Migrationshintergrund und Menschen mit jeglichem Aufenthaltsrecht in Deutschland und Europa ihre persönlichen Wertesysteme im Hinblick auf ihre Integrationsbereitschaft und Integrationsfähigkeit reflektieren und darüber im klaren sein, welche Gesellschaftsformen sie präferieren und bereit sind diese in vollen Zügen zu verteidigen. Denn nur so wird es überhaupt möglich einen eminenten gesellschaftlichen Beitrag für die Befestigung der Demokratie, Verteidigung des Pluralismus und Stärkung des Humanismus zu leisten.
Tendenzen zum Befolgen von protektionistischer Orientierung, Isolationismus, Abwertung von Fremden und von Andersdenkenden finden erfahrungsgemäß den Nährboden in Umbruchphasen, wo die Sorgen der Bürger steigen, Gefühle der Gefährdung sich manifestieren und Ängste sich breit machen.
Die Fremdenangst ist Urinstinkt und evolutionsgeschichtlich dem Selbstschutz dienlich. Diese trug maßgeblich zu der Entwicklung der Empathiefähigkeit bei. Die Absichten des Fremden waren schon für den Urmenschen nicht immer ersichtlich, so dass Misstrauen präventiv eingesetzt wurde. In gleichen Maßen sind Hilfestellungen und Gastfreundschaft evolutionäre Prozesse, die aber auch eigennützig sind. Bei Not und Gefahr kommt die Selbstsorge zum Vorschein, so dass die Hilfestellung von anderen (Fremden) erwartet wird. Die gegenseitige anti-protektionistische Hilfestellung mit der Wahrnehmung von Fremdeninteressen existierte als evolutionärer Gegenpol zur Fremdenangst. Die gegenseitige Wahrnehmung, Anteilnahme, Annahme und die Bereitschaft zur Empathie (Hilfestellung) werden somit notwendig. Das Hospiz ist unverändert die lebendige Nachhaltigkeit der gegenseitigen Liebe.
Diese vertrauensbildenden Maßnahmen entwickeln, fördern und befestigen die gegenseitige Hilfsbereitschaft.
Der Kant`sche kategorische Imperativ erklärt diesen evolutionären Prozess anders. Der deutsche Aufklärer Kant drückte damit die Unabdingbarkeit der gegenseitigen Liebe für die menschliche Existenz überhaupt aus.
Vertrauensbildende Maßnahmen sind unverzichtbar, um Ängste des Nächsten zu entkräften. Die Fähigkeit zur Empathie erlaubt mir Sorgen von Menschen zu erkennen, um diese wiederum kognitiv verarbeiten zu können. Diese Fähigkeit erlaubt Fremden über Fremde ernsthaft nachzudenken, zu verstehen, auf sie zuzugehen, sie anzunehmen, sie zu akzeptieren, um eine Verständigung hervorzurufen. Nicht das Verstehen wie zum Beispiel der sprachlichen Unterschiede alleine ist der Schlüssel zur gelungenen Integration. Nicht alleine der Schulunterricht und die Förderung zum Studium sind der Garant für eine integrative Denkweise, sondern das Lernen wie eine Verständigung zwischen Menschen zustande kommt ist die Achse der Integration.
Diese ist primär eine kulturelle Verständigung für eine kulturelle Integration. Für die kulturelle Annäherung sind beide Fremde aufgefordert, alles zu tun und nichts zu unterlassen, um das Verstehen in Verständigung umzuwandeln und die verschiedenen Kulturentwicklungen als ein Kulturerbe zu akzeptieren und zu verinnerlichen. Nur so kann es gelingen den anderen nicht nur zu verstehen, sondern sich auch mit ihm zu verständigen. Integration ist definitiv keine Zusammenfügung von Objekten und kein komplementärer Prozess mit Zusammenfügung von Subjekten. Integration ist ein systemischer Prozess, der verschiedene Systeme zum Ganzen macht. Die Integration ist kein Floskel mit dem man politisch sein kann.
Integration ist die Angepasstheit zum Beispiel von Subjekten untereinander, um dem Ganzen als Ganzes zum Erhalt und zum weiteren Wachstum zu verhelfen.
Eine gelungene Integration hat mit Vertrauen zu tun. Die Menschen müssen sich erst vertrauen, um sich reibungslos anpassen zu können. Die Anpassungsfähigkeit ist naturgegeben, muss aber gewollt und gekonnt sein. Das Vertrauen ist ein Ur-Werk der Natur, das man immer hat, aber leider auch eigenmächtig zerstören kann.
Um mit anderen und unter anderen in Harmonie leben zu können, muss ich in der Lage sein alles zu unternehmen, um meine Anpassungsfähigkeit in meine Anpassungsbereitschaft umzufunktionieren. Ich muss dem Ur-Werk der Natur seinen natürlichen Verlauf zulassen.
Spätestens jetzt sollen Menschen ungeachtet ihrer Herkunft und Aufenthaltsstatus ihre Denkweise und Handlungen reflektieren. Sie müssen sich Gedanken machen. Was kann ich tun und wie kann ich dazu beitragen Rechtspopulismus hier und in den Herkunftsländern den Boden unter den Füßen zu entziehen. Alleine meine Anpassungsbereitschaft als der pure integrative Prozess, ist in der Lage, den Nährboden für Radikalismus wichtigen Existenzgrundlagen zu entziehen.
Die demokratisch-pluralistische Gesellschaftsordnung bietet große Chancen, um mitzugestalten und kreativ-innovativ zu handeln. Mitgestalten bedeutet etwas Besseres zu kreieren und nicht das Rad der Geschichte zurückzudrehen. Die Autokratie hat ausgedient und hat ihre Ohnmacht mit der Unfähigkeit die Zivilisation zu schützen gezeigt. Diese ist durch ihren Protektionismus und nationalen Populismus für verheerende Katastrophen des zwanzigsten Jahrhunderts mitverantwortlich.
Die Gene sind neurobiologisch kooperativ und nicht auf Konfrontation gestimmt. Wir brauchen einander und ergänzen uns gegenseitig. Integration bedeutet niemals den Verlust der Identität. Die Identität und die Identifikation sind elementar, für die Persönlichkeitsentwicklung und der individuellen Integration essentiell.
Die Integration zum Ganzen ist nur durch die Identifikation des Individuums als dynamischer Prozess zu verstehen. Die Angst vor Identifikationsverlust ist kulturell verankert. Nationalkonservative trugen immer dazu bei, Integration zu verhindern, indem sie Ängste vor Identifikationsverlust prophezeien und Spaltungen propagieren. Kulturelle Umwandlungen sind durch die Geschichte hinweg durchzogen bis die Zivilisation erreicht wird, ohne dass unsere Identität als Menschen mit hilfsbereitem Verhalten verlieren zu können. Wir haben uns von älteren gesellschaftlichen Strukturen und von bestimmten Bindungen getrennt und neue kulturelle Neuheiten entwickelt. Das scheint als ein evolutionärer Prozess zu funktionieren. Die verschiedenen Gesellschaften entwickeln sich ähnlich, aber zeitlich versetzt. Eine Entwicklung ist Naturgegeben, kann aber auch sozial erlernt werden.
Integration ist keine Assimilation. Menschen aus anderen Kulturen haben Angst die eigene Identität zu verlieren und mit der neuen Kultur zu verschmelzen. Die Assimilation wird nie gelingen. Biologisch gesehen behält jeder unserer Organe seine Identität bei gleichzeitiger Integrität des gesamten Organismus als eine Einheit , als ein Ganzes. Es wäre nicht der sinnvolle Akt die Organe ineinander zu verschmelzen. Eine künstliche Verschmelzung bedeutet den Zerfall des Ganzen. Das Zusammenwachsen ist dagegen die Zugehörigkeitsbestimmung. Zugehörig zu einer Gesellschaft ist mit dem Anpassungsstreben verbunden. Ich muss mich zu meinen Mitmenschen bekennen, die gesellschaftliche Entwicklung mitgestalten und die Sorgen der anderen mittragen. Ich muss das Ganze beschützen, ebenfalls ein evolutionärer Prozess für den Selbstschutz.
Die gelingende Integration erfordert aufeinander zuzugehen. Beide Seiten sind aufeinander angewiesen um integrativ denken und handeln zu können. Die Gegebenheiten in Demokraten sind verlockend und für eine kooperative Verhaltensweise einladend. Fremdbestimmungen von innen oder von außen mit dem Schüren von Ängsten- vor einer vermeintlichen Assimilation- sind die echten Gefahren, die diese angestrebte Integration behindern und das Zusammenleben erschweren.
Was ich tun kann ist einfach. Ich bewege mich auf andere zu, ich verstehe ihre Denk- und Lebensweise, ich passe mich den Normen respektvoll an beim gleichzeitigen Behalten meiner individuellen Art zu leben. Ich verinnerliche den Fortschritt als meins und werde Stolz auf das, was ich mit meinem Mitmenschen erreicht habe.
Ich werde Stolz sein, mich anderen gegenüber menschlich zu verhalten. Mensch-sein ist der höchste Nobelpreis, den ich mir selbst erarbeite. Menschlich und wertschätzend zu bleiben – auch in schwierigen Zeiten – muss genauso wie die Demokratie- als die menschlichste Form des Zusammenlebens, wie ein Muskel trainiert werden. Die Demokratie als Gesellschaftsform ist selbst die geschichtliche Entwicklung des Menschlichen für ein besseres Miteinander und Füreinander. Die Zivilcourage ist gefragt, um gemeinsam die Aufgaben der Integration zu bewältigen, Menschen für die Demokratie zu begeistern, die kulturelle Bildung vom klein auf zu implementieren und jegliche Fremdbestimmung vor allem in seiner sublimen (verbogenen) Form zu unterbinden.