Sie sind hier

Katastrophenschutz durch Vorsorge

Führungskräfte sollen psychische Belastungen besser kennen

Können Tragödien wie der Absturz der Germanwings-Maschine am 24. März 2015 in Zukunft vermieden werden? Nachdem die psychische Erkrankung als ursächlich für den Tod von 150 Menschen ausgemacht wurde, stehen ärztliche Schweigepflicht, mögliche technische Lösungen, Vorsorgemaßnahmen und das Vier-Augen-Prinzip im Fokus der Diskussion. Ein Experte ist Prof. Dr. Volker Nürnberg: Er ist Professor für Personal- und Gesundheitsmanagement an der Hochschule für angewandtes Management und lehrt auch an der TU München. Für MUG analysiert er die Möglichkeiten.

Nach dem Absturz der Airbus-Maschine, die wohl letzten Erkenntnissen nach von dem Co-Pilot absichtlich herbeigeführt wurde, änderte sich alles. Nicht nur für die Luftfahrtgesellschaft Lufthansa und ihren Lowcost- Ableger Germanwings: Betroffen ist die gesamte Gesellschaft. Hauptaugenmerk liegt darauf, wie künftig solche Katastrophen möglichst vermieden werden können.

Zur Prävention wird unter anderem eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht einzuführen bzw. sogar eine Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht erwogen. Ins Gespräch gebracht hatten das der CDU-Verkehrsexperte Dirk Fischer und der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Dabei stellt sich jedoch die Frage, ob bei einer aufgehobenen Schweigepflicht das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient noch aufrechterhalten werden kann, und ob der Patient in diesem Fall weiterhin bereit ist, seinem Arzt gegenüber offen und ehrlich aufzutreten.

Der Präsident der Psychotherapeutenkammer Rainer Richter erwähnt in diesem Zusammenhang, dass Ärzte und Therapeuten laut Paragraph 34 des Strafgesetzbuches (StGB) bereits dazu befugt sind, Informationen aus der Akte weiterzugeben für den Fall, dass es sich um Leben und Tod handelt oder dass durch die Kenntnisweitergabe eine Schädigung Dritter hätte verhindert werden können.

Es stellt sich hier wiederum die Frage, ob ein Arzt verlässlich ermitteln kann, ob sein psychisch gefährdeter Patient eine “Schädigung Dritter” beabsichtigt. Die psychischen Erkrankungen haben in den letzten Jahren enorm zugenommen und wenn man davon ausgeht, dass alle Menschen mit depressiven Phasen oder gar Suizidgefährdung als ungeeignet für Berufe mit potenzieller Drittgefährdung angesehen werden, könnte unsere Gesellschaft bald nicht mehr funktionieren.

So kann die Wiederholung einer Katastrophe ähnlich dem Germanwings-Absturz, auch im Arbeitsbereich von Zug- und Busfahrern oder auch in einem Atomkraftwerk, nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Dieses Hintergrundwissen sollte dazu führen, dass der Fokuszukünftig verstärkt auf Präventionsmaßnahmen liegt. Bezüglich der Aufhebung der Schweigepflicht wäre es somit eher von Nachteil, wenn sich der psychisch erkrankte Arbeitnehmer aufgrund von befürchtetem Arbeitsplatzverlust gegen eine Therapie oder ärztliche Unterstützung aussprechen würde. Eine mögliche Alternative wäre jedoch, dass eine ärztliche Krankschreibung direkt vom Arzt an den Arbeitgeber weitergeleitet wird, um eine Verheimlichung der Krankschreibung seitens Arbeitnehmer auszuschließen.

Mögliche Präventionsmaßnahmen

Weitere Maßnahme könnten, wie dies der Lufthansa-Chef Carsten Spohr in Erwägung zieht, unangemeldete Medizin-Checks für Piloten sein, um Unsicherheiten bezüglich des Gesundheitszustands der Piloten zu verringern. Ebenso wird auch die Erweiterung der jährlichen Routineuntersuchung durch detaillierte psychologische Tests in Betracht gezogen, um eine ganzheitliche Tauglichkeitsprüfung sicherzustellen.

Das von bereits allen Airlines eingeführte 4-Augen-Prinzip, welches besagt, dass das Cockpit in Zukunft nicht mehr von nur einer einzigen Person besetzt sein darf, kann bereits als Verbesserung angesehen werden.

Was die Technik anbetrifft, wird derzeit über eine Sicherheitsentriegelung der Cockpittür von außerhalb des Cockpits diskutiert.

Eine weitere technische Lösung könnte sein, dass bei Auffälligkeiten eines Flugzeugs dessen Autopilot von extern aktiviert werden kann und somit die Steuerung der Maschine vom Boden aus übernommen wird. Dies ermöglicht, dass im Notfall eine Notlandung vom Boden aus eingeleitet werden kann.

Neben technischen Maßnahmen sollten aber vielmehr auch medizinische Vorsorgemaßnahmen in Betracht gezogen werden.

Bestandteil wäre hier z.B. die seit 1995 in Unternehmen gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsanalyse im Rahmen des Arbeitsschutzes. Es geht dabei um Faktoren, die mit Arbeitsumgebung und Arbeitsprozessen einhergehen und somit auch um Feststellung von physischer wie psychischer Arbeitsbelastung am Arbeitsplatz. Berücksichtigt werden dabei individuelle betriebliche Gegebenheiten wie beispielsweise Organisation der Arbeitszeit, Arbeitsmittel, Arbeitsüberlastung, Über- und Unterforderung, Kommunikation, Führungsmethoden und Betriebsklima.
Es gilt jedoch die bisher vernachlässigten psychischen Belastungen vermehrt bei der Gefährdungsanalyse zu integrieren, da diese im Zusammenhang mit Stressoren wie Zeit- und Leistungsdruck, Mobbing, Gewalt am Arbeitsplatz, Arbeitsverdichtung häufig Ursachen sind für Stress, psychische Ermüdung, Burnout, Unzufriedenheit, Schlafstörungen und psychosomatische Krankheiten.

Führungskräfte sollten für die Erkennung dieser Erkrankungen sensibilisiert werden, um rechtzeitig eingreifen und entgegenwirken zu können. Die Manager sollten hierzu Schulungen erhalten und Fachkenntnisse vermittelt bekommen.

Diese vorgestellten Handlungsalternativen können dabei helfen, das Risiko einer Fremdgefährdung durch psychisch kranke Menschen so gut es geht zu minimieren.

Dennoch kann man davon ausgehen, dass ein Restrisiko nie völlig ausgeschlossen sein wird. Der Mensch ist ein Fehlbarkeitsfaktor, mit dem gerechnet werden muss.

Related posts

Hinterlassen Sie ein Kommentar

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmst du der Verwendung von Cookies zu, um mit Hilfe analytischer Daten unsere Webseite zu optimieren. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen