„Die Diagnose MS hat mich erst einmal geschockt!“. So wie der 35-jährigen Maria S. geht es den meisten Betroffenen. Für sie bricht eine Welt zusammen. Voreilig glauben viele Patienten, dass von nun an ein „normales“ Leben für sie nicht mehr möglich ist. Beim Erstgespräch mit dem Arzt wirken sie wie in Trance: Erstarrt, wenig konzentriert, kaum aufnahmefähig. Ihre Gedanken kreisen um existenzielle Fragen: Was wird aus mir? Ist mein Leben zerstört? Habe ich noch lange zu leben? Wie wird die Behinderung sich entwickeln? Werde ich nicht mehr gesellschaftstauglich sein? Was wird aus meiner Partnerschaft, aus meinen Kindern? Wie geht es weiter mit meiner Arbeitsfähigkeit? Einige fragen sich: „Warum ausgerechnet ich?“. Grundsätzlich negativ gestimmte Menschen betrachten das Ganze als ihr von Geburt an unabdingbares Schicksal.
Es ist verständlich, dass eine unerwünschte akute Befindlichkeitsstörung zu einem sogenannten Trancephänomen führen kann. Ein guter Arzt ist in der Lage, sich auch hier optimal in sein Gegenüber einzufühlen. Dazu gehören nicht nur persönliche empathische Fähigkeiten, die im Lebensalltag weiterentwickelt wurden, sondern auch die bewusste Bereitschaft zur Empathie als die evolutionär und kulturell verankerte moralische Pflicht. Schließlich spielt die Art und Weise, wie eine Diagnose vermittelt wird, eine entscheidende Rolle in der Beziehung zwischen Patient und Arzt.
Gute Aufklärung ist immer wahrheitsgetreu – wobei Wahrheit konstruktivistisch gesehen stets die persönliche Sichtweise ist. Die meisten chronischen Erkrankungen sind nicht heilbar, viele aber sind wirksam zu behandeln. Bei Multipler Sklerose mit ihren vielen Symptomen ist eine kausale Therapie zur Beseitigung der Ursachen bislang noch nicht möglich. Dank intensiver Forschung stehen aber vielfältige therapeutische Möglichkeiten zur Verfügung. Das gilt nicht nur zur Linderung von Neuralgien und Spastik – etwa durch Cannaboide und Rehabilitationsmaßnahmen. Auch gute evidenzbasierte Wege zur Krankheitsverlangsamung und Reduktion der Schubintensität sind verfügbar. Ein Teil dieser Medikamente zeigt an Hand von Studienergebnissen bei einer Anwendung bis zu einer Schwangerschaftsfeststellung keinerlei negative Auswirkungen auf das ungeborene Kind. Neue Eskalationstherapeutika lassen sich einsetzen, wenn sich trotz einer bisher gut bewährten und verträglichen Basistherapie mit Interferone und Glitameracetat das Krankheitsbild verschlechtert. Die Wirksamkeit dieser neueren Medikamente ist unbestritten, allerdings erfordert ihre Anwendung ein sogenanntes Monitoring (Überwachung der klinischen Parameter), um bereits bekannte (teilweise schwerwiegende) Nebenwirkungen frühzeitig zu verhindern.
Nicht Resignation ist der Schlüssel zum besseren Leben, sondern das Streben nach dem Besseren. Es erfordert die Mobilisierung aller Ressourcen, um trotz MS ein glückliches Leben zu gestalten.
Nicht der Kampf gegen die Erkrankung, sondern ein „gutes“ Leben trotz Erkrankung ist das optimale Ziel. Die Arbeitsfähigkeit von MS-Betroffenen bleibt nachweislich unter Interferon Beta-1b für lange Zeit erhalten. Selbstwirksamkeit und Resilienz sind Fähigkeiten, die unser Leben lebenswert machen.
Verborgene Gesundheit
Der deutsche Philosoph Hans-Georg Gadamer (1900-2002) brachte es auf den Punkt: Die Gesundheit ist verborgen. Erst beim Ausbruch einer Krankheit wird deutlich, was Gesundheit bedeutet. Dann sehnt sich jeder nach diesem Zustand, der ein glücklicheres Leben erst möglich macht.
Von Lust und Schmerz
Schon der griechische Philosoph Aristippos von Kyrene (um 450 v. Chr) war Vertreter des Hedonismus, wonach der Gewinn von Lust und die Vermeidung von Schmerz das Ziel jedes Individuums sind. Diese Denkrichtung hat in der Neuzeit vor allem in der Motivationspsychologie einen festen Platz gewonnen. Der Mensch bemüht sich stets, ein glücklicheres Leben zu erzielen.
Hilfe zur Selbsthilfe
Sie sind nicht allein: Suchen Sie Rat bei Ihrem Neurologen und kontaktieren Sie die Selbsthilfegruppen: Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e. V.