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Schmerzen, Stress und inneres Netz

Die Personalchefin und ihr Burnout-syndrom.

Sie liebt ihre Arbeit. Mindestens 11 Stunden am Tag ist sie im Einsatz für ihre Firma. Ständig will sie sich fortbilden, um weiter nach vorn zu kommen. Doch irgendwie scheint der Körper nicht mitzumachen. Seit Jahren hat Else S. Beschwerden. Vor allem Nachts leidet die 40­ jäh­rige Personalchefin eines großen Unternehmens unter Wadenkrämpfen. Ein­ und Durchschlafen werden immer schwieriger. Tagsüber wird die Stuttgarterin von Nacken­-, Kopfschmerzen und Schmerzen der Lendenwirbelsäule, geplagt. Schon morgens vor der Arbeit verspürt sie oft Schwindel und Übelkeit. „Ich verstehe nicht, warum ich mich immer so müde und erschöpft fühle“, berichtet sie dem Arzt. Privat zieht sie sich zunehmend zurück, hobbys hat sie fast aufgegeben. Die Arbeit fällt ihr immer schwerer. Unruhe, Konzentrationsschwäche und Vergess­lichkeit tragen dazu bei. Angesichts der Gesundheitsprobleme steigt die Zahl der betrieblichen Fehltage – das bereitet ihr große sorgen. Ein Teufelskreis, typisch für das sogenannte Burnout­syndrom.
Bei der Analyse der Familiengeschichte wurden weitere Fakten offenbar. Der Vater der Patientin starb, als sie 17 Jahre alt war. Er war ihre wichtigste Bezugsperson. Schon als Kind wurde sie von nächtlichen Ängsten geplagt, hatte Beinschmerzen und Verkrampfungen der Waden. Der Vater tröstete und massierte ihr die Beine bis zur Besserung. Zur Mutter, die sie als schwierig und unnahbar schildert, konnte Else S. nie eine Emotionale Bindung aufbauen. Nach dem Tod des Vaters nahmen die nächtlichen Schmerzen in den Beinen zu.

Festgestellt wurde die frühkindliche Beziehungspro­blematik mit Angstentwicklung und Somatisierungs­störung. Durch ihre Schmerzen lernte Else S. Bereits als Kleinkind, zumindest die Aufmerksamkeit des Vaters zu gewinnen. Die Schlafstörungen waren demnach bereits vor dem beruflichen Stress belastend. Dass die Patientin aktuell beruflich wenig Anerkennung erfährt, weckt bei ihr offenbar Erinnerungen an die Kindheit. Vermindertes Selbstwertgefühl, Ausgrenzungsängste und das Gefühl, nicht geliebt zu werden, sind die Folgen. Sie verstärken oder lösen die bereits gespeicherte Schmerzsymptomatik aus.

Bei der Diagnose wurde die gesamte Vernetzung des Konflikts deutlich. Beinschmerzen, Rückenverspannungen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit, Er­schöpfung, Demotivation, stressanfälligkeit, Depressionensind nur ein Teil davon. Rückzugverhalten, Erkrankung des Sohnes, die Problematik der ersten Ehe, die Aktuell komplizierte Partnerschaft, die Beziehung zur Mutter, der Tod des Vaters, kindliche Ängste, wenig Erholungsphasen sowie die internen Stressoren und de­ren Verarbeitung gehören ebenfalls dazu.

Dieses innere netz steht in Wechselwirkung mit den Anforderungen moderner Organisation: Rrestrukturie­rungen, Prozessbeschleunigung, Wertewandel, Globa­lisierung und Abhängigkeit. In diesem ist, wie in den meisten Fällen eine Gesamtbetrachtung der Situation erforderlich. Ergebnis: nicht ein Symptom, eine Krankheit, ein Mitarbeiter oder eine Führungskraft sind allein verantwortlich. Sicherlich können Symptome, einzelne Beschwerden und Krankheiten behandelt werden. Im Vor­dergrund muss jedoch stets der Gesamtzusammenhang stehen – um Rezidive zu vermeiden, schnelle Heilung zu ermöglichen und Chronifizierung zu verhindern. Hier ist es wichtig das individuelle Gesundheitsmanagement im Kontext der Gruppe und der Organisation zu sehen. Nur so lässt sich eine Kettenreaktion vermeiden.

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