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Sprechstörungen, Stottern und Poltern

Nach der klinischen Leitlinie leiden weltweit ca. 1% aller Kinder, 0,8% der Männer und 0,2% der Frauen an Stottern. Das Poltern als eine schwierigere Form des Redeflusses ist von der Prävalenz her seltener- aber noch nicht genau beziffert. Die Prävalenz ist eine epidemiologische Kennzahl, die schätzungsweise die Erkrankungshäufigkeit bei einer definierten Menschengruppe als Population in einer bestimmten Zeitspanne angeben kann. Anders ist die Begrifflichkeit der Inzidenz, die Neuerkrankungen einer bestimmten Gruppe in einer bestimmten Zeitspanne definiert.

Eine medizinische Leitlinie ist eine empfehlende Handlungsanweisung- anders als Richtlinien- ohne bindenden Charakter, die nach medizinischen Fortschritten und Kenntniserweiterung modelliert und angepasst werden kann und soll. Leitlinien sind an den Einzelfall angepasst.

Diese Redeflussstörungen werden nach der Leitlinie in Stottern und Poltern eingeteilt.

Das Stottern wird wiederum in häufigen „originär-neurogen-nichtsyndromal“ und in seltenen „originär-neurogen-syndromal“ Fällen eingeteilt. Originär wird hiernach auf die Eigenständigkeit der Erkrankung bezogen. Neurogen kennzeichnet den Einfluss des Nervensystems in der Krankheitsentstehung. Das Syndromale bezieht sich auf die Charakteristika bei einem bestimmten Krankheitsbild. Das Nicht-Syndromale bedeutet, dass mehrere Krankheitszeichen vorliegen können, die aber nicht zu einer bestimmten Krankheit zu zuordnen sind.

Der erste Stotter-Typ beginnt in der Kindheit ohne feststellbare Ursache mit einer genetischen Wahrscheinlichkeit. Die Symptome beginnen hier am Anfang von Wörtern oder Phrasen, insbesondere bei komplexen Äußerungen und gehen oft mit Bewegungsassoziationen einher. In diesen Fällen sollte die Therapie bereits in der Kindheit eingeleitet werden.

Die zweite und seltene Form des Stotterns ist bei Trisomie 21 (Down-Syndrom) zu finden und geht mit nicht-stottertypischen Unflüssigkeiten wie bei Poltern einher. Hier ist die Wirksamkeit einer Therapie nicht belegt.

Anders als die Originären sind die erworbenen Stotterformen in neurogen und psychogen eingegliedert. Beide Formen sind selten. Die neurogenen treten in diesen Fällen nach organischen und funktionellen Hirnschädigungen auf. Unabhängig von der Komplexität der Äußerungen sind die Unflüssigkeiten hier stottertypisch und selten mit Mitbewegungen verbunden. In diesen Fällen werden die Behandlung der Grunderkrankung und gegebenenfalls die Sprachtherapie angestrebt.

Bei dem psychogenen Stottern kann ein psychisches Trauma die Ursache sein; auch andere psychiatrische Erkrankungen sind diesbezüglich denkbar. Diese Form der Unflüssigkeiten tritt bei allen Äußerungen auf und lässt sich nicht durch Singen oder Chorsprechen beeinflussen (auch als Manöver geeignet). Hier ist die Therapie in erster Linie psychiatrisch-psychotherapeutisch und gegebenenfalls durch Sprachtherapien zu ergänzen.

Das Stottern lässt nach bei ca. 80% der Fälle, insbesondere bei Frauen nach. Die anfangs leicht dominierende Männergruppe zeigt im Verlauf eine deutliche Präsens mit 5:1 männlich: weiblich.

Medizinisch hat sich das Bochum-Aachener Stotter-Screening (BAAS) als Messinstrument zur Vorsorge und Schuleignungsuntersuchung bewährt. Bei Verdachts- oder Risikofällen wird die Screening List for Stuttering (auch in deutscher Version erhältlich) empfohlen. Andere Tests können auf die Schweregradeinstufung hinweisen. Zur Messung der psychosozialen Belastungen, die durch das Stottern entstehen können, stehen geeignete ärztlich geleitete Tests zur Verfügung. Denn entscheidend ist bei jeder therapeutischen Bemühung die Lebensqualität der Betroffenen und wie sie mit ihrer Erkrankung und den Restdefiziten leben können, so dass diesbezüglich eine professionelle Hilfe angeboten werden soll.

Auch Eltern und Erzieher von Betroffenen sollen diese psychosoziale Aspekte stark berücksichtigen und alle Maßnahmen einleiten, die präventiv wirken können. Dadurch kann Mobbing und Ausgrenzung vermieden und eine optimale Integration erreicht werden.

Die Ziele von Stottertherapien sind das Sprechen zu erleichtern mit Beseitigung oder (die qualitative und quantitative) Reduzierung der Stotter-Kernsymptome und die ständige zwanghafte Selbstkontrolle beim Sprechen zu verringern.

Ein wichtiges Ziel ist der Abbau von Begleitsymptomen, wie die psychosozialen Belastungen, für mehr Lebensattraktivität und höhere Lebensqualität.

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