Sechs Jahre ist es her, dass Monika O. während der Arbeit eine Schwäche im linken Bein spürte. „Vielleicht ein Bandscheibenschaden“, dachte sie – und ging zu ihrer Orthopädin. Bis auf eine Beinschwäche war der Befund unauffällig, so dass sich die 34 jährige zur weiteren Untersuchung beim Neurologen vorstellen sollte.
Sie zögerte ihren Besuch beim Spezialisten hinaus. Acht Monate später verspürte sie erneut eine Schwäche im Bein und zusätzlich im rechten Arm. Weil sie einen Schlaganfall befürchtete, ließ sich Monika O. schnell ins Krankenhaus einweisen. Dort wurde nach ausführlichen Untersuchungen – vor allem durch Lumbalpunktion mit Entnahme von Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit und Kernspintomografie mit Schichtaufnahmen von Gehirn und Rückenmark – die Diagnose MS gestellt.
Es war höchste Zeit für eine Therapie: Frühzeitige Behandlung hat einen positiven Einfluss auf den Verlauf, sie verzögert und minimiert den Entzündungsprozess. Monika‘s Lähmungen wurden zunächst mit dem entzündungshemmenden Cortison als Stoßtherapie mit hochdosierten Infusionen behandelt. Das als Basistherapeutikum gerade im frühen Stadium von MS empfehlenswerte Interferon beta-1b (Betaferon) kam danach zur Anwendung. Es ist zur Dauertherapie zugelassen und hat eine langjährige Anwendungsgeschichte. Studien dokumentieren gute Therapieerfolge, nicht nur auf die Krankheitsentwicklung bezogen, sondern auch im Hinblick auf den Erhalt der Arbeitsfähigkeit. Insgesamt haben Basistherapeutika ihren festen Platz in der MS-Therapie. Unter der Injektionstherapie blieben die Schübe bei Monika O. aus, auch zeigte das MRT keine neuen Läsionen. Doch als die Patientin von neuen oralen Therapieoptionen hörte, bat sie ihn um eine Umstellung. Im Verlauf des ausführlichen Gesprächs änderte sie dann aber ihre Meinung wieder: „Mein Neurologe hat Recht“ sagte Monika O. „Warum soll eine neue Therapie her, wenn sich die Alte bei mir so gut bewährt hat?“ Eine gute Entscheidung. Eine Umstellung der Therapie ist für den Betroffenen letztlich dann sinnvoll, wenn trotz konsequenter Basistherapie eine (deutlich) feststellbare Zunahme der neurologischen oder MRT Auffälligkeiten festzustellen ist.
Monika O. bewies sich als mündige und informierte Patientin, die beim Arzt ihre Meinung sagt, ihn erinnert, gut mit ihm zusammenarbeitet und so den Verlauf der Erkrankung mitgestaltet. Nach sechs Jahren Krankheit ist sie heute sehr zufrieden – den Umständen entsprechend. Natürlich möchte die Patientin am liebsten geheilt sein. Bei chronischen Erkrankungen wie MS ist das in der Regel aber kaum möglich. Doch Monika O. kann sich mit ihrer Erkrankung gut arrangieren und ihr Leben gut gestalten – mit ihrer Therapie hat sie bisher Glück.
Wir alle tragen durch Akzeptanz, Annahme und Hilfestellung dazu bei, das Selbstvertrauen, die Widerstandsfähigkeit und die Selbstwirksamkeit von MS-Patienten zu stärken. Ganz nach Hermann Hesse: „Wenn wir einen Menschen glücklicher und heiterer machen können, so sollten wir es in jedem Fall tun, mag er uns darum bitten oder nicht.“
Adhärenz – auf Augenhöhe
Als Adhärenz bezeichnet man in der Medizin die Einhaltung der gemeinsam von Patient und Arzt gesetzten Therapieziele im Rahmen des Behandlungsprozesses – das Resultat einer guten Zusammenarbeit. Ohne Adhärenz ist der Erfolg jeder Therapie gefährdet. Keineswegs verwechselt werden darf sie mit der autokratischen Führung eines bevormundeten Patienten durch den Arzt. Aber auch Patienten, die nach eigenen Recherchen alles besser zu wissen glauben und eine bestimmte Therapie durchsetzen wollen, liegen falsch. Ein optimales Arzt-Patient-Gespräch, das authentisch auf Augenhöhe stattfindet, ist das Ideal. Die Therapieentscheidung bleibt trotzdem eine primär ärztliche Aufgabe.
MS beginnt schon früh
Multiple Sklerose ist eine seit vielen Jahren bekannte Krankheit, die unbehandelt zu einer meist schubförmigen aber auch langsam schleichende Behinderung führt. MS geht mit einer Entzündung des zentralen Nervensystems (ZNS) einher. Mit dem ZNS ist das Nervengewebe im Gehirn und dem Rückenmark gemeint. Diese Entzündung kann bereits im Kindesalter auftreten. Die Krankheit verläuft unterschiedlich und tritt individuell anders auf. Je nach entzündeten ZNS-Regionen sind die Ausfälle entweder sensibel, motorisch oder kognitiv mit möglichen Kombinationen. Auch Schwindel, anhaltende Müdigkeit (Fatigue), Sehstörungen oder Schmerzen sind häufig .Die Erkrankung ist bei Frauen häufiger zu finden. Bei Männern ist der Verlauf eher schwerwiegender. Der Verlauf der Krankheit ist beim Auftreten im höheren Alter, ebenfalls als ungünstig zu sehen. Eine eindeutige Aussage über den Verlauf dieser Erkrankung ist nur bedingt möglich.